Wohnreportage "Mein Pfarrhaus" Die fünfte Generation im Haus 

Hinter fast hundert Jahre altem Fachwerk entstehen nicht nur Predigten: Die junge Pastorin Tanja Griesel hat hier auch ihren ersten Krimi verfasst, der jetzt im Buchhandel ist. In ZUHAUSE WOHNEN stellt sie ihr Familiendomizil vor und erklärt, warum sie ihre giftgrüne Küche so anregend findet.

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Wir sind die fünfte Generation seit Bestehen des Hauses. Mehr als ein Dutzend Kinder sind in den letzten hundert Jahren hier groß geworden. Vor kurzem besuchten mich zwei Töchter des Pfarrers, der das Haus 1916 als Erster bezogen hatte. Beide Frauen befinden sich heute in hohem Alter, aber sie erzählten mir lebhaft von ihrer Kindheit. Wenn sie im Winter morgens aus den Betten stiegen, war es bitterkalt. Oft blühten Eisblumen an den Innenscheiben der Fenster. Zentralheizung gab es damals noch nicht. Das Holz wurde im Pfarrwäldchen geschlagen. Jedes Zimmer hatte einen Ofen. Viel Arbeit für alle. Warm war es dennoch nicht.

Erbaut wurde das Fachwerkhaus als sichtbares Zeichen für den Wohlstand des Dorfes. Das Pfarrhaus durfte den großen Bauernhöfen in unmittelbarer Nähe in nichts nachstehen. Es sticht hervor. Die Menschen am Ort sind stolz auf ihr Pfarrhaus. In den frühen Zeiten traf man sich im Winter zum Gottesdienst nicht in der Kirche, sondern im Wohnzimmer des Pfarrhauses. Konfirmanden mussten im Amtszimmer oder auch in der Küche nachsitzen. Klavierschüler wurden regelmäßig hier unterrichtet. Dann brach der Zweite Weltkrieg aus. Das Klavierspiel verstummte.

Nach dem Krieg kamen die Flüchtlinge. Sie fanden Platz unter dem Dach des Hauses. 1945 brach eine neue Zeit an. Der Pfarrstelleninhaber wechselte. Mit dem späteren Wirtschaftsaufschwung hielt auch im Pfarrhaus der Wohlstand Einzug: Zentralheizung wurde eingebaut und das erste Auto stand auf dem Pfarrhof. Eine besondere Veränderung hat das Erkerzimmer auf der oberen Etage im Lauf der Zeit erfahren. Ursprünglich war hier ein Balkon. Noch heute sieht man das verschnörkelte Holzgeländer. Irgendwann brauchte man den Platz. Es gab nicht genügend Kinderzimmer auf der Etage. Also hat man den Balkon als Erker mit Fenstern verglast und das schmale Zimmerchen auf diese Weise vergrößert. Der Raum lässt sich seitdem im Winter auch besser heizen, also keine Eisblumen mehr.

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