Wohnbedürfnisse Wohntrends der Zukunft: Was werden wir brauchen?
Wohnpsychologin Barbara Perfahl über veränderte Bedürfnisse, große Herausforderungen und Trends, die uns noch länger begleiten werden
ZUHAUSE WOHNEN: Frau Perfahl, Sie beraten Menschen beim Einrichten Ihrer Wohnung. Haben Sie in den vergangenen Jahren Veränderungen hinsichtlich der Wohnbedürfnisse wahrgenommen?
Barbara Perfahl: In den letzten Jahren gab es vor allem zwei Tendenzen: Zum einen wurde das Arbeiten verstärkt ins Wohnumfeld geholt – zwei Bereiche, die lange klar voneinander getrennt waren. Diese Entwicklung ist teilweise gewünscht, teilweise durch äußere Gegebenheiten bedingt. Durch die Vermischung wird das Zuhause wieder stärker zur Umwelt hin geöffnet. Die zweite Entwicklung scheint paradox dazu: Es ist das Bedürfnis nach Rückzug und ein verstärkter Fokus auf Privatheit. Das spiegelt sich in der Einrichtungswelt zum Beispiel durch Trends wie „hygge“ wider.
Wie wird sich dies in der Aufteilung und Ausstattung einer Wohnung ausdrücken – wird alles noch flexibler
Flexibles Wohnen ist ein Thema, das sicher noch wichtiger werden wird – aber vor allem ist es eine große Herausforderung. Es gibt im Grunde zwei Möglichkeiten, das Zuhause flexibler zu gestalten: entweder durch das Ausweichen auf verschiedene Räume oder aber durch den Einsatz multifunktionaler Möbel. Aufgrund von Platzmangel oder begrenztem Budget ist oft nur Letzteres möglich. Für die psychische Gesundheit wäre es jedoch besser, die einzelnen Lebensbereiche wirklich räumlich zu trennen.
Wie sieht das Wohnzimmer der Zukunft aus?
Ich glaube, dass es noch viel stärker zum Mischraum wird: als Treffpunkt für die Familie einerseits, andererseits als Schnittstelle zur Außenwelt, als sozialer, geselliger Raum. Bis in die 1950er-Jahre gab es die sogenannte „Gute Stube“ – ein repräsentativer Raum, der nur für bestimmte Anlässe genutzt wurde, in dem aber kein Alltagsleben stattfand. Diese gute Stube wird künftig mit dem privaten Lebensraum kombiniert zum Wohnzimmer der Zukunft. Im gleichen Zuge wird das Schlafzimmer vermehrt zum Rückzugsort, der unser Bedürfnis nach Privatheit stillt.
Wird das Thema Nachhaltigkeit auch in 20 Jahren noch eine Rolle spielen?
Ich bin davon überzeugt, dass sich dieser Trend sogar noch verstärken wird. Globale Probleme wie die Ausbeutung von Ressourcen, der Klimawandel etc. werden ja nicht verschwinden, sie werden noch drängender. Die Möbelbranche macht es uns mit ihrer Rückbesinnung der letzten Jahre zu mehr Qualität und Langlebigkeit sogar besonders leicht, bewusster zu konsumieren.
Wie wird die Digitalisierung – Stichwort Smarthome – die Erwartungen an das persönliche Wohlfühlzuhause verändern?
Eine interessante Frage: Meine Erfahrung ist, dass das Thema bei den meisten meiner Kunden noch gar nicht angekommen ist. Einige wenige finden es spannend, die anderen haben eigentlich überhaupt keine großen Erwartungen. Am ehesten zieht die Technik noch im Bereich der Mediennutzung ein, z. B. in Form von Smart Speakern. Aber insgesamt nehme ich kein Bedürfnis nach einem vernetzten Zuhause wahr. Im Gegenteil: Vielen bereitet die Vorstellung sogar eher Unbehagen.
Wie wichtig wird der Trend hin zur individuellen Einrichtung?
Ich habe das Gefühl, dass sich der Wunsch nach Individualität noch verstärken wird. Schließlich steht unser Bedürfnis, sich die Umwelt anzueignen, über allen anderen Bedürfnissen. Indem wir den Wohnraum individuell gestalten, machen wir ihn zu unserem eigenen – auch wenn wir nur zur Miete wohnen. Schon Kinder fangen sehr früh damit an, ihr Umfeld im Rahmen ihrer Möglichkeiten nach ihren Wünschen zu gestalten.
Was bleibt unverzichtbar für unser Wohlbefinden?
Rückzugsraum! Beim Wohnen kann ich auf vieles verzichten: Ich muss nicht unbedingt von zu Hause arbeiten, brauche kein repräsentatives Zuhause – aber ein Ort, an den ich mich zurückziehen kann, ist für die psychische Gesundheit unabdingbar.
Eine persönliche Frage zum Schluss: Was wäre Ihr Lieblingsmöbel der Zukunft?
Eine Couch, die von der Decke baumelt. (lacht) Das Sofa ist für mich das Symbol für Wohnen, gleichzeitig liebe ich das Schaukeln. Ein Kindheitstraum.
Die Frage nach den Wohnbedürfnissen
Sie ist die Grundlage der Wohnpsychologie und ein erster Schritt zu glücklicherem Wohnen. Die sechs großen Wohnbedürfnisse wurden in Anlehnung an die sogenannte Maslowsche Bedürfnispyramide (nach dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow) definiert: das Bedürfnis nach Rückzug, Sicherheit, Geselligkeit, Anerkennung, Ästhetik und Selbstverwirklichung. Ihre Gewichtung ist bei jedem anders und kann sich im Laufe des Lebens verändern, z. B. beim Auszug der Kinder, Veränderung der Lebensumstände oder mit Blick auf das Alter.